Mit Schüler*innen einen Instagram-Account betreiben

Letztes Jahr, kurz vor den Herbstferien, traten die Schülerinnen einer meiner 10.Klassen an mich heran mit der ungewöhnlichen Bitte, statt des klassischen Unterrichts einen TikTok-Account in Politik zu führen. Ich muss gestehen, mich hat diese Bitte zur allererst ein bisschen überrumpelt und ich habe mir Zeit zum Nachdenken verschafft, indem ich ihnen erst einmal erklärte, dass solch einem Projekt die Schulleitung und natürlich auch die Eltern zustimmen müssten. Beide Parteien haben diesem Vorhaben tatsächlich ohne größere Probleme zugestimmt und somit wurde das Projekt in die Tat umgesetzt.

Die ersten Schritte

Das klingt jetzt vermutlich wenig professionell an dieser Stelle zu schreiben, dass der erste Schritt meinerseits nach dem Start des Projekts war, mir einen Account auf TikTok einzurichten. Denn so aktiv wir auch auf anderen sozialen Netzwerken sind, von TikTok hatte ich damals noch nicht viel Ahnung. Ich persönlich lerne aber sehr gerne auch einmal Dinge von meinen Schülerinnen und so wurde quasi TikTok zu unserem gemeinsamen Projekt erklärt. In der Woche vor den Herbstferien habe ich meine Schülerinnen also in die Geheimnisse von Social Media eingeführt. Begonnen haben wir mit einer Analyse von TikTok und Instagram, welche zugleich auch wichtige Aspekte des Datenschutzes und Urheberrechts umfasste. Anschließend haben wir uns mit verschiedene Arten von Feeds und Designs auf Instagram ebenso wie mit Kriterien eines gelungenen Beitrags und dem Algorithmus befasst. Die spannendste Frage, mit welcher wir uns zu Beginn des Projekts auseinandergesetzt haben, war definitiv die des Namens und des Feed-Designs. Es standen viele potenzielle Namen im Raum, aber am Ende wurde es @schoolitics, welches sowohl für unsere Tätigkeit als Klassenprojekt als auch für das Fach Politik steht.

Die ersten Posts

Nachdem nun die Rahmenbedingungen geklärt waren, startete der Schaffungsprozess für unseren zukünftigen Content. Die Themen waren durch das Fach und den Lehrplan vorausgesetzt. Um die Schülerinnen nicht sofort mit Inhalt, Gestaltung und Canva zu überfordern, war das erste Thema der Beiträge „Vorurteile einer Mädchenschule“, eine für die Schülerinnen sehr bekannte Debatte. Nach einer kurzen Einführung in Canva ging es nun ans Werk und die Mädels erarbeiteten ihre ersten Beiträge. Die ersten Schritte mit Canva waren sicherlich nicht die einfachsten, aber mit der Zeit sind die Mädchen an der Herausforderung gewachsen und man konnte verfolgen, wie sich ihre Fähigkeiten hier, aber auch beim Erstellen der Posts weiterentwickelt haben. Im Sinne des Growth Mindsets konnte man also schön beobachten, wie der Samen, der gepflanzt wurde zu einer Knospe mit Blüte herangewachsen ist.

Der Entwicklungsprozess

Nach den ersten Beiträgen zu den Vorurteilen einer Mädchenrealschule wurde es auch bald ernst und die ersten Posts mit politischen Themen standen an. Dies war nochmal eine andere Herausforderung, da sie nun das Thema vorab für sich erarbeiten mussten, um es anschließend kurz und verständlich auf maximal acht Slides zu bringen. Titel- und Endfolie sind hierbei nicht einberechnet. In der Regel arbeiteten die Mädchen vier Schulstunden in der Woche in kleinen Gruppen an mehreren Posts, welche anschließend im Klassenzimmer präsentiert, reflektiert und gegebenenfalls verbessert wurden, bevor sie online gehen durften. Auch hier entwickelten die Mädchen mit der Zeit ein Gespür für gute Verbesserungsvorschläge und wurden immer besser in der Gestaltung ihrer Beiträge. Das Ziel war, den Prozess so weit zu optimieren, dass einer Benotung der Beiträge nichts mehr im Wege stand. Als alternatives Prüfungsformat wurden zwei Durchgänge im ganzen Schuljahr auch bewertet.

Einladung von Gästen

Um im Unterricht nicht nur meine Perspektive zu erleben, haben ich diverse Gäste aus der Politik in diesem Schuljahr digital und analog ins Klassenzimmer eingeladen. So bekamen die Mädels viele wichtige Impulse von @insta_politik sowie @politikneugedacht, welche uns digital in der Schule besucht haben und probierten sich beispielsweise im Anschluss selbst in der Erstellung von Memes aus. Auch Vertreter der Parteien und der Bundeswehr waren bei uns zu Gast und haben sich sogar von den Mädchen für Instagram interviewen lassen. Vielen Dank an die Kooperationsbereitschaft all unserer Gäste nochmals an dieser Stelle. Dies ist keine Selbstverständlichkeit. Im Gespräch empfanden all unsere Gäste das Projekt der Klasse als sehr gelungen und betonten gerne, wie schön es ist, dass die Mädchen diese Möglichkeit bekommen.

Feedback der Schülerinnen

Für mich war es dieses Schuljahr das erste mal, dass ich mit einer Klasse einen Social Media-Account gepflegt habe und so war es mir wichtig, auch einmal ein Feedback zum Projekt von den Mädchen zu erhalten. Die Mädels erklärten, dass ihnen insbesondere der Lebensweltbezug sehr gefalle und sie das selbstständige Arbeiten sowie die mit Erstellung von Content verbundene Verantwortung im Projekt schätzen. Auch das kreative Arbeiten, die Förderung von Medienkompetenz, die andere Art der Auseinandersetzung mit politischen Stoff sowie die hohe Anzahl an politischen Besuchen wurde genannt. Der Unterricht sei abwechslungsreicher gewesen und man fühle sich durch das Projekt näher am politischen Geschehen.

Fazit der Lehrkraft

Auch ich empfinde das Projekt bis jetzt definitiv als Bereicherung, auch wenn es wesentlich mehr Arbeitsaufwand als ein „klassischer Unterricht“ bedeutet. Mir fällt es in diesem Setting wesentlich leichter, Fake News, TikTok-Trends und einen bewussten Umgang mit Social Media zu vermitteln als im gewohnten Setting. Zudem habe auch ich viele neue und spannende Aspekte durch das Projekt gelernt und freue mich sehr auf die kommenden sechs Wochen bis zum Abschluss des Projekts.

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