Ovids Ars amatoria gehört zu den klassischen Werken im Lateinunterricht. Mit seinen Tipps zum Flirten passt Ovid auch noch sehr gut in die heutige Zeit, da sich die Frage, wie man die Angebetete denn nun erobert, auch heute noch stellt sowie in zahlreichen Büchern und Serien immer wieder aufgegriffen wird. Neben Tipps, wo man eine Frau finden kann und wie man sich dann verhält, gibt es auch einen Absatz, in welchem Ovid dem Mann Tipps für das Aussehen gibt. Wie sollte man sich kleiden und wie sollte man seinen Körper pflegen? Genauer gesagt handelt es sich um die Verse 513 bis 521, die ich euch hier einmal in der Übersetzung präsentieren möchte:
Die Körper [der Männer] sollen durch Sauberkeit gefallen, sollen auf dem Marsfeld gebräunt werden. Die Toga soll gut passend und ohne Fleck sein: Die Zunge soll nicht starr sein, die Zähne frei von Karies, und dir darf der Fuß nicht im breit ausgetretenen Schuh schwanken. Das Schneiden der Haare soll die steifen Haare nicht schlecht verunstalten: Das Haar und der Bart sollen mit geübter Hand geschnitten werden. Und die Nägel sollen nicht hervorstehen und ohne Schmutz sein. Und im hohlen Nasenloch darf dir kein Haar hervorstehen.
Diesen Abschnitt galt es jetzt, im Unterricht gemeinsam zu übersetzen. Doch ich hatte mir überlegt, damit einhergehend auch gleich eine Debatte über solche „Schönheitstipps“ und Schönheit generell zu starten. Um dafür neben dem Text eine gute Grundlage für die Diskussion zu haben, kam mir die Idee, die Schüler:innen mit KI den von Ovid beschriebenen „schönen Mann“ einmal erstellen zu lassen, um direkt vor Augen zu haben, wie genau sich Ovid diesen vorgestellt haben könnte und ob dieser denn nun wirklich „schön“ ist.
Aufbau der Stunde
Zum Einstieg in die Stunde habe ich mir einfach ein Bild mit dem Prompt „Ein schöner Mann“ generieren lassen. Das folgende Bild ist dann entstanden und nach einer kurzen, sehr erheiternden Beschreibung kamen wir schnell zu der Frage, was eigentlich Schönheit ist und inwiefern es etwas Objektives und/oder Subjektives ist.
Während hier bereits sehr gemischte Antworten kamen, leitete ich dann so langsam zur eigentlichen Aufgabe über: den oben angegebenen Textabschnitt zu übersetzen und danach mit einer Bild-KI den von Ovid beschriebenen Traummann erstellen zu lassen. Die Ergebnisse wollte ich dann sammeln und vergleichen, um mit den verschiedenen Bildern dann wieder über die Eingangsfrage diskutieren zu können. Zum Arbeiten mit der KI habe ich über unseren Fobizz-Account einen Arbeitsauftrag erstellt, sodass die Schüler:innen damit arbeiten konnten. Der Vorteil ist hier, dass die Fobizz-Tools DSGVO-konform sind und einfach über QR-Code oder generierte LogIn-Daten genutzt werden können, ohne dass die Schüler:innen irgendwelche Daten eingeben müssen.
Die Schüler gingen also mit Stowasser und iPad an die Arbeit und übersetzten los. Nach dem Übersetzen ging es dann an das Prompten und man hörte schon, dass die Schüler:innen viel Spass beim Rumprobieren hatten. Gelungene Ergebnisse sollten sie dann bei IServ in einen von mir erstellten Ordner hochladen.
Die Ergebnisse
Nach der Arbeitsphase besprachen wir dann zuerst die Übersetzung, bevor wir zum Präsentieren der KI-Bilder kamen. Hierbei möchte ich euch einige davon präsentieren:
Die erste Reaktion der Schüler:innen, nachdem wir uns alle Ergebnisse angeguckt haben, war: „Oh, die sehen ja irgendwie alle gleich aus.“ Was eigentlich gar nicht so verwunderlich sein sollte, da die Grundlage (der Text) bei allen gleich war, lieferte dann eine Grundlage für die Debatte: Gibt es doch irgendwie eine „Standard-Form“ von Schönheit? Denn das Grinsen, das oftmals leicht lockige Haar und die Blicke ähnelten sich doch oftmals. Hier wurden auch Vergleiche zu Werbung z.B. von Parfum gezogen und einige meinten, dass diese bei der Werbung oftmals mit bekannten Schönheitsbildern arbeiten würden. Einige Schüler:innen kamen dann zu dem Schluss, dass Schönheit doch irgendwie subjektiv wäre, aber es doch gesellschaftlichen Standards gebe, welche die KI dann aufgreifen würde. In Bezug auf Ovid wurden da die gepflegte Kleidung oder Sauberkeit als „allgemeine“ Schönheitsmerkmale genannt, während gebräunte Körper oder Bärte generell als individuelle Schönheitsmerkmale definiert worden. Irgendwann verlagerte sich der Schwerpunkt der Diskussion dann in die Gegenwart, wo wir darüber sprachen, welche Rolle Aspekte wie Gesellschaft oder Werbung auf Schönheitsvorstellungen hätten und wie wichtig es am Ende doch wäre, sich nicht primär an populäre Schönheitsvorstellungen zu richten, sondern vor allem mit seiner eigenen Schönheit zufrieden zu sein. Einige Schüler:innen verwiesen auch darauf, dass Beauty-Influencer quasi „Nachfolger“ von Ovid wären, da es auch heute noch einen großen Bedarf an solchen Tipps gäbe. Insgesamt war es eine sehr spannende Debatte, welche hier mit Hilfe der KI und der Ars amatoria geführt werden konnte.
Da wir noch ein wenig Zeit hatten, haben zwei Schüler noch kurz ein Ergebnis vorgestellt, in welchem sie einfach einen „hässlichen“ Mann erstellt hatten. Dieses konnten wir uns ebenfalls anschauen und kamen dadurch zu der Feststellung, dass auch wirtschaftliche Umstände einen Einfluss auf Reichtum hätten. Denn Hässlichkeit wurde auf deren Bild (und weiteren, die wir dann spontan erstellt hatten) immer mit Armut verknüpft, was auch ein gewisses Spiegelbild aktueller Ansichten darstellen würde.
Fazit
Auch wenn Ovids Texte schon über 2000 Jahre alt sind, haben sie doch noch einen Bezug zu aktuellen gesellschaftlichen Debatten. Gemeinsam haben wir auf Basis der KI-Bilder diskutieren können, welche gesellschaftlichen Vorstellungen von Schönheit es gibt und inwiefern diese am Ende dann doch subjektiv oder doch objektiv sind. Die Schüler:innen konnten dabei auch Gegenwartsbezüge einbringen und somit eigene Erfahrungen in die Debatte einfließen lassen.