In diesem Jahr habe ich mal wieder eine fünfte Klasse in Geschichte bekommen. Da die Schüler:innen hier noch nie Geschichte hatten, ist es immer eine spannende Erfahrung, sie an Geschichte heranzuführen und sie erkennen zu lassen, was genau Geschichte als Fach eigentlich ist. Dies bezieht neben relativ klaren Sachen wie der „Beschäftigung mit der Vergangenheit“ aber auch den Konstruktcharakter von Geschichte mit ein: Geschichte als konstante Überlieferung, in welcher immer wieder Fehler und Ungereimtheiten auftauchen bzw. hinzukommen, darzustellen, kann gerade für jüngere Schüler:innen noch zu abstrakt sein. Dementsprechend wollte ich mir eine für eine fünfte Klasse angemessene Form der Darstellung ausdenken, welche genau dies vermittelt. Am Ende habe ich mich dabei für eine relativ einfache, aber am Ende doch sehr effektive Variante entschieden: Stille Post.
Stille Post im Geschichtsunterricht
Falls es jemand noch nicht kennt: In Stille Post geht es darum, dass eine Nachricht durch Flüstern von einem Anfang zu einem Ende „transportiert“ wird. Oftmals denkt sich die erste Person einen Satz aus, welcher dann nach und nach zu der Endperson geflüstert wird. Diese gibt dann wieder, was bei ihr angekommen ist und man vergleicht es dann mit dem Anfangssatz. Oftmals geschieht es nun, dass der Anfangssatz nicht so ankommt, wie er gestartet ist und je mehr Personen zwischen Anfang und Ende sind desto größer verändert sich der Satz.
Dieses Prinzip eignet sich dabei perfekt, um die Probleme bei der Überlierung in der Geschichtswissenschaft anschaulich aufzuzeigen. Hierzu habe ich eine einfache Runde Stille Post mit meiner neuen fünften Klasse gespielt. Als Anfangssatz wählte ich den Satz: „Die schnelle Katze fängt die kleine Maus.“ Über sechs Stationen wurde dann schließlich der Satz „Die helle Katze spielt bei…“, was bei der Klassen dann für großen Spaß und ein wenig Erstaunen sorgte. „Was ist denn da passiert?“, „Das ergibt ja keinen Sinn!“ usw. waren Sätze aus dem Plenum. Meine darauf folgende Frage war dann einfach nur, was dieses Spiel mit Geschichte zu tun haben könnte. Hier kam dann im Gespräch auch der grundlegende Transfer, dass Sachen aus der Vergangenheit „weitererzählt“ und dabei verändert wurden. Die Schüler:innen konnten dabei verschiedene Gründe nennen: Etwas wurde vergessen, etwas wurde hinzugedichtet oder einfach falsch verstanden. Zudem warf eine Schülerin auch ein, dass man etwas bewusst „fälschen“ konnte.
Fazit
Am Ende hat das Spielen von Stille Post sehr gut funktioniert. Die Schüler haben das grundlegende Problem erkannt, mit welchem wir in Geschichte immer zu tun haben und was wir immer im Hinterkopf haben müssen. Dies bezog sich vor allem auf die mündliche Überlieferung, nach den anderen Arten der Überlieferung musste ich ein wenig gezielt fragen (Wie kann wissen über die Vergangenheit noch überliefert werden? -> Texte, Schriften, Bilder etc.), aber da kamen die Schüler:innen am Ende auch drauf. Auf dieser Basis konnte ich in der nächsten Stunde dann gut in die Auseinandersetzung mit Quellen starten.
Upgrade ab Klasse 7
Eine alternative Version kann auch mit einem analogen Arbeitsblatt zum Spiel Gartic Phone gespielt werden. Das Prinzip funktioniert ähnlich wie bei Stille Post, nur das hier abwechselnd beschrieben und gemalt werden muss. Katharina hat traditionell die etwas älteren Klassen in Geschichte und führt dort auch jedes Jahr eine Wiederholung der „Einführung in die Geschichtswissenschaften“ durch. Statt des analogen Spiels wird hier mit Gartic Phone gestartet und anschließend mit dem Arbeitsblatt „Einführung in die Geschichtswissenschaft“ die wichtigsten Begriffe des Faches wiederholt. Ihre Schülerinnen wiederholen so spielerisch den Konstruktcharakter von Geschichte sowie die teilweise schwierige Überlieferungsgeschichte historischer Quellen. Zudem lernen sie, dass die Auslegung und Interpretation von Quellen subjektiv ist und so auch verschiedene historische Narrationen entstehen können.