Dieser Gastbeitrag stammt von Henning Mertens (Lehrer und Autor). Wir bedanken uns herzlich für diesen praxisintensiven Einblick!
Musikgenerierende KI nutzen um naturwissenschaftliche Sachverhalte zu vermitteln – geht das?
Das war die Frage, die sich ergab, nachdem meine Schüler:innen und ich sich mit KI einerseits und Musikvideos zu schulischen Inhalten andererseits beschäftigt hatten. Haben wir uns zunächst gemeinsam im Unterricht versucht und auch passable Resultate hervorbringen können, habe ich im Nachgang weitere Texte verfasst und mit verschiedenen Musikgenres herumprobiert. Herausgekommen ist letztendlich ein ganzes Album mit 15 Songs zu biologischen Themen – musikalisch reicht die Bandbreite von Schlager über Alternative und Singer/Songwriter bis Symphonic Metal.
Wie sind die Songs genau entstanden?
Stimmen und Kompositionen sind vollständig von der SUNO-KI (mehr hier) generiert, die Texte jedoch selbst geschrieben – trotz einiger Versuche mit diversen prompts waren weder SUNO selbst noch ChatGPT und Co. zufriedenstellende Ergebnisse zu entlocken. Entweder waren die Fachinhalte ungenau oder die entstandenen Texte kaum in eine vernünftige Songstruktur zu bringen. Das darf gern als Aufforderung verstanden werden, es selbst zu probieren und besser zu machen.
Was benötigt man als Voraussetzung, um eigene Lieder zu erstellen?
Das Anlegen eines Accounts ist notwendig, aktuelle würde ich SUNO oder UDIO wählen. Ich empfehle den Abschluss eines Bezahl-Abos für einen gewissen Zeitraum, z.B. einen Monat. Das ist mit ~10€ aus meiner Sicht völlig in Ordnung und reicht aus für das Generieren von 500 Songs, wobei man eine gewisse Ausschussquote einkalkulieren muss, je nachdem wie wählerisch man bei den generierten Ergebnissen ist. Es geht auch ohne Abo, man erhält dann einige Generierungsversuche kostenfrei.
Ein bisschen Vorstellung von Metrik, Betonung und Reim sollte vorhanden sein für die Songtexterstellung – wobei die SUNO-KI unsaubere Reime oder auch variierende Metrik oftmals großzügig verzeiht. Die Ergebnisse sind jedoch schöner anzuhören, wenn es nicht in jeder Zeile „stolpert“. Auch zur Songstruktur reichen Grundkenntnisse – Strophe, Refrain, Strophe, Refrain, Solo, Bridge, 2x Refrain – das genügt je nach eigenem Anspruch fast immer. Zu guter Letzt müsste man den Begriff für das gewünschte Musikgenre kennen (Chanson, J-Pop, Folkrock, Speed Metal oder was es auch sein darf).
Gibt es schon Erfahrungen im Unterricht oder wie könnte man vorgehen?
Ja, es gibt Erfahrungswerte. Das Lied über die Verdauung der Kohlenhydrate am Beispiel der Stärke (Titel: „Amylase im Mund“) habe ich zur Wiederholung eingesetzt und ein halbes Jahr später können noch immer einige Schüler:innen „Amylase im Mund, die Maltase im Darm“ wiedergeben. Sicher kann nachhaltiges Lernen anders gestaltet werden, dieses Beispiel zeigt jedoch, dass es so auch funktionieren kann.
Das eigenständige Verfassen von Texten durch Schüler:innen im Unterricht kann zeitaufwändig sein und dann in keinem Verhältnis mehr zur nötigen Progression bei großer Lehrplanfülle stehen. Wenn hier fächerverbindend mit etwa Musik und Deutsch gearbeitet wird, kann es sich dennoch lohnen, die naturwissenschaftlichen Inhalte einmal auf diese Weise – in Reimform und mit Komposition – aufzubereiten.
Als Unterrichtsmaterial vorbereitete Songs in Verbindung mit Arbeitsaufträgen können in verschiedensten Phasen des Unterrichtes eingesetzt werden. Gute Erfahrungen habe ich beim Einsatz als Einstieg und zur Wiederholung gemacht.
Und wo kann ich nun die Lieder einmal anhören?
Das erwähnte Album gibt es bei den üblichen Streaming-Diensten wie Spotify (hier), YouTube, Amazon Music, Apple Music, Deezer und so weiter. Finden kann man die Lieder wenn man nach „H Mertens Biologie“ sucht.
Aber auch bei TikTok sind die Lieder bei der Videoerstellung als Hintergrundmusik auswählbar (nach „H Mertens“ suchen). À propos TikTok; vielleicht schallt ja, ganz im Sinne der Fächerverbindung und als Hintergrundmusik für eine tänzerische Choreographie, bald „Pro Pro Proteine“ durch die ein oder andere Turnhalle.